Ich bin Tobi und bewirtschafte seit 2018 gemeinsam mit meiner Frau eine 250 m² große Parzelle in der Kleingartenanlage NW 18 in München-Moosach. Ich bin gelernter Landschaftsgärtner und habe Freiraumplanung studiert. Seit 2008 arbeite ich bei der Gartensendung Querbeet und habe daher schon zu vielen gärtnerischen Themen Beiträge gemacht, auch etliche über Naturgärtnerinnen und Naturgärtner.
Die Kleingartenparzelle: vorher-nachher
Du bist Vorstand eines Kleingartenvereins, in dem 115 von 122 Parzellen (einschließlich deiner) als Naturgarten zertifiziert sind. Was sind die Bedingungen für eine Naturgartenzertifizierung im Rahmen von „Bayern blüht – Naturgarten“ für einen Kleingarten?
Grundsätzlich muss die Kleingartenparzelle, die als Naturgarten zertifiziert wird, natürlich dem Bundeskleingartengesetz und der örtlichen Gartenordnung entsprechen. Dann gibt es Kern-Kriterien, die alle erfüllt werden müssen:
Zusätzlich gibt es Kann-Kriterien in den Bereichen Naturgartenelemente sowie Bewirtschaftung & Nutzgarten. In jedem Bereich sind 14 Punkte zu vergeben, mindestens sieben Punkte müssen erreicht werden. Dazu gehören etwa einfach blühende Stauden, ein wildes Eck, das Zulassen von Wildkraut oder die naturnahe Bodenpflege. Die genauen Kriterien findest du hier.
Wie streng ist der Punkt „kein Einsatz von torfhaltigen Substraten“ definiert? Können Gärtner, die erst vor Kurzem von den Auswirkungen des Torfabbaus auf die Umwelt erfahren haben und seitdem auf Torf verzichten, immer noch zertifiziert werden?
Aus meiner persönlichen Sicht, da ich selbst auch Kleingärten zertifiziert habe: Wenn sich die Pächterinnen und Pächter mit dem Thema der Zertifizierung beschäftigt haben, wissen sie normalerweise, dass torfhaltige Substrate tabu sind. Wenn aber noch ein letzter angefangener Sack mit torfhaltiger Erde in der Parzelle steht, würde ich nicht darauf bestehen, den wegzuschmeißen, sondern noch zu verwenden und zukünftig darauf zu verzichten. Dann könnte ich auch die Zertifizierung vertreten, wenn sonst alles passt. Wir wollen bei den Zertifizierungen ja auch beraten und die Leute sensibilisieren.
Im Kleingarten ist man an Vorschriften gebunden (Bundeskleingartengesetz). Worauf soll oder muss man aufpassen, wenn man seinen Kleingarten naturnah gestalten möchte?
Die Vorgaben sind wichtig, denn die Einhaltung des Bundeskleingartengesetzes sichert eine günstige Pacht und einen gewissen Bestandsschutz der Anlage. Ein Kleingarten dient in erster Linie dem Anbau von gärtnerischen Erzeugnissen wie Obst, Gemüse und Kräutern. In der Regel sollte ein Drittel der Gartenfläche dafür vorgesehen sein. Die restlichen zwei Drittel entfallen auf Laube, Wege, Beete etc. Wie ich meinen Garten gestalte, ist Geschmackssache. Naturnah ist da nur eine Variante. Ich muss mich aber auch an die Vorgaben der Gartenordnung halten, wenn es beispielsweise Einschränkungen bei der Auswahl von Gehölzen gibt. Ich würde immer darauf achten, dass der Kleingarten als solcher erkennbar ist. Es muss nicht alles geometrisch in Reih und Glied sein, aber die einzelnen Elemente wie Gemüsebeet, Staudenbeet oder Totholzbereich sollten zu erkennen sein. So lassen sich auch eher kritische Kleingärtner eher überzeugen, als wenn alles durcheinander wächst.
Gemüsebeete mit Totholz als natürliche Beetbegrenzung
Was war deiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg, andere Menschen mitzunehmen?
Mit den Menschen sprechen und sie auch mal in unseren Garten einladen. Im Vorfeld der Zertifizierung haben wir nicht nur beraten, sondern die Pächterinnen und Pächter auch mit anpacken lassen. Um den Mitgliedern Vorschläge zu machen, wie man mit einfachen Mitteln nachhaltig gärtnern und auch Tiere in den Garten locken kann, ist auf unserer Gemeinschaftsfläche ein Lehrpfad entstanden. Wichtig war uns dabei, keine abgehobenen, für einen Kleingarten unrealistischen Bauwerke zu zeigen, sondern umsetzbare Ideen, die natürlich auch der Gartenordnung entsprechen. Alle Stationen lassen sich auch in kleinerem Maßstab auf den eigenen Garten übertragen. Das Ziel sollte und soll sein, dass jeder das Passende für sich findet. Der Lehrpfad sollte aber keine vom Vorstand erstellte und als Frontalunterricht gedachte Installation sein. Daher sind die einzelnen Stationen des Lehrpfades in Gemeinschaftsarbeit entstanden. Das hat den Zusammenhalt innerhalb des Vereins gestärkt, die Identifikation mit dem Projekt gefördert und praxisnah gezeigt, dass die Anlage der naturnahen Elemente keine komplizierte Wissenschaft ist. Und natürlich war die Goldmedaille, die wir für die Zertifizierung erhalten haben, ein toller Erfolg für die Gemeinschaft. Zudem haben wir beim 25. Bundeswettbewerb „Gärten im Städtebau“ in Berlin die Goldmedaille erhalten.
Warum ist es aus deiner Sicht wichtig und sinnvoll, mehr Natur in die (Klein-)Gärten zu bringen?
Es gibt viele Gründe:
Danke Tobi für die spannenden Einblicke!
Hier geht’s zur Kleingartenanlage NW 18
Nachtrag: Das Thema „Kleingärten naturnah umgestalten“ interessiert dich? Tobias hat vor wenigen Wochen ein Buch mit vielen praktischen Ansätzen herausgebracht. Die Umgestaltung seiner Parzelle bildet den roten Faden, aber es gibt auch einen Blick in Kleingärten in Hamburg, Duisburg, Dresden und Rostock. Eine Buchvorstellung findest du weiter unten ↓